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September-Sturm für Aktien und die Energiekrise
Lombard Odier Private Bank
Kernpunkte:
- Der September ist historisch gesehen der schlechteste Monat des Jahres für Aktienmarktrenditen
- Dieser September scheint angesichts der Inflation der Energie- und Lebensmittelpreise besonders schwierig
- Den Regierungen stehen immer weniger Mittel zur Verfügung, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen, da die Kosten für die Finanzierung neuer Schulden aufgrund der Zinserhöhungen steigen
- Wir gehen beim Portfolioaufbau vorsichtig vor und bevorzugen widerstandsfähige, hochwertige Positionen.
Der September-Effekt
Der September ist typischerweise eine unruhige Zeit für Finanzfachleute. Wenn die Tage auf der nördlichen Hemisphäre kürzer und kälter werden, herrscht an den Märkten ein diffuses Gefühl der Angst – die Befürchtung, dass etwas schiefgehen könnte. Die negative Stimmung wird durch historische Daten untermauert. Diese zeigen, dass der September der Monat mit der weitaus schlechtesten Performance des Dow Jones Industrial Average (DJIA) Index seit dessen Gründung im Jahr 1896 ist (siehe Grafik unten).
Das Phänomen, das „September-Effekt“ genannt wird, ist zwar bekannt, aber über die Hintergründe weiss man wenig. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Haushalte Finanzpositionen veräussern, um zusätzliche Ausgaben (Studiengebühren, neue Kleidung und Schuhe) zu finanzieren, die sich zu Beginn des Schuljahrs anhäufen. Ein weiterer Grund könnte sein, dass Finanzanalysten jeweils zu Jahresbeginn die künftige Aktienmarktperformance zu optimistisch einschätzen und die Prognosen im Herbst nach unten korrigieren. Keine dieser Theorien erklärt das Phänomen vollständig, was zur Nervosität beiträgt: Die Marktteilnehmer wissen, dass der September in der Regel ein stürmischer Monat ist, aber es ist nie klar, wo das Unheil seinen Lauf nehmen könnte.
Energie- und Lebensmittelpreise – eine zusätzliche Herausforderung
Diesen Herbst sieht sich die Weltwirtschaft mit zusätzlichen Bedrohungen konfrontiert. In Europa zeichnet sich eine schwere Energiekrise ab. Die politischen Lösungen zur Bekämpfung dieser Krise scheinen in vielen Ländern unzureichend. Während die Energieausgaben im Durchschnitt etwa 10% des Budgets eines europäischen Haushalts ausmachen, sind ärmere Länder und Bevölkerungen von der Energiekrise deutlich stärker betroffen. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds müssen beispielsweise die ärmsten 20% der estnischen Familien dieses Jahr unter Umständen zusätzliche 20% ihres Budgets zur Begleichung von Energierechnungen aufwenden. Die Verantwortlichen der europäischen Hilfsprogramme müssen noch einen Weg finden, um solche Haushalte zu schützen.
Die Marktdaten ergeben ein klares Bild (siehe Grafik unten). Strom, der in einem Jahr geliefert wird, hat sich in den letzten vierundzwanzig Monaten in Deutschland um mehr als 1’200% und in Frankreich um 1’400% verteuert.
Im Vereinigten Königreich dürften die Energierechnungen im Oktober um 80% steigen. Die vorgeschlagenen konkreten Massnahmen zur Unterstützung der Haushalte würden jedoch nur einen kleinen Teil des Anstiegs abdecken. Bewegungen wie #dontpayUK (die mit der Nichtbezahlung von Rechnungen im grossen Stil drohen) gewinnen an Schwung. Die jüngsten Äusserungen von Ben Van Beurden, Chief Executive Officer von Shell, verdeutlichen die Kluft zwischen politischen Erklärungen, die der Beruhigung dienen sollen, und der besorgniserregenden Marktrealität: „Dass dies irgendwie einfach sein wird oder vorbeigeht, ist eine Fantasie, die wir aufgeben sollten – wir sollten uns der Realität stellen.“
Ein weiteres Problem ist die Lebensmittelinflation und -knappheit. Covid-bedingte Störungen der Lieferketten und die immer zahlreicheren Klimaschocks hatten bereits für eine angespannte Lage in der Lebensmittelversorgung gesorgt; der Krieg in der Ukraine hat die Situation noch erheblich verschärft. Auf Russland und die Ukraine entfallen rund 70% der weltweiten Sonnenblumenöl-Exporte, bei Weizen und Mais sind es 30% bzw. 20%. Laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen ist die Zahl der Menschen, die von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sind, von 135 Millionen im Jahr 2019 auf heute 345 Millionen gestiegen. Explodierende Lebensmittel- und Treibstoffpreise haben in Ländern wie Indonesien, Iran, Tunesien, Kenia und Peru bereits zu Protesten geführt. In Sri Lanka haben sie im Mai zum Zusammenbruch der Regierung beigetragen. Je länger der Konflikt in der Ukraine dauert, desto mehr Ackerland fehlt für die Produktion, was die künftige Versorgung weiter gefährdet.
Den Regierungen stehen immer weniger Mittel zur Verfügung
Ermutigt durch die Möglichkeit, Kredite zu niedrigen oder sogar negativen Zinsen aufzunehmen, haben westliche Regierungen riesige Summen ausgegeben, um die jüngsten Probleme zu lösen (z.B. Bewältigung der europäischen Schuldenkrise, Unterstützung der Einkommen während der Pandemie, Ankurbelung des Wachstums). Auf diesen „Joker“ müssen sie nun verzichten, da die Kosten der Schuldenfinanzierung in den meisten Ländern in die Höhe geschnellt sind.
Wie unten dargestellt, hat sich etwa die Rendite der zehnjährigen italienischen Anleihe in den letzten zwölf Monaten mehr als verfünffacht – von 0,7% auf 3,8%. Dies bedeutet höhere Zinskosten auf zusätzlichen Staatsausgaben. Ein potenzieller Lichtblick: Möglicherweise steigt der Druck auf Politiker, längerfristige Lösungen für Probleme im Unternehmensumfeld und auf dem Arbeits- oder Energiemarkt zu finden, statt dass sie sich auf kurzfristige Kreditaufnahmen verlassen. Bei den Lösungen könnte es sich um Markt- oder Gesetzesreformen oder neue Massnahmen zur Unterstützung der Arbeitskräfte handeln. Leider dauert es bei solchen Lösungen in der Regel viel länger, bis sie umgesetzt sind und Früchte tragen.
Tragischerweise drohen die Preiserhöhungen bei Energie, Lebensmitteln, Düngern und Treibstoff nicht nur Volatilität und weitere Rückgänge an den Aktienmärkten zu verursachen, sondern auch eine Zunahme von Insolvenzen und sozialen Unruhen. Die Kehrseite des westlichen Plans, aufgrund des Angriffs Russlands in der Ukraine Strafmassnahmen zu verhängen, sind erhebliche Strapazen für westliche Unternehmen und Haushalte in den kommenden Jahren.
Widerstandsfähige, hochwertige Positionen über alle Anlageklassen hinweg bevorzugen
Vor diesem unsicheren Hintergrund – und angesichts des Potenzials der Märkte für weitere Abwärtsbewegungen – ist unsere Portfoliopositionierung vorsichtig. Wir konzentrieren uns auf hochwertige Positionen in allen Anlageklassen, um die Widerstandsfähigkeit des Portfolios zu erhöhen. Die vorsichtige Haltung gegenüber Aktien behalten wir bei und bevorzugen Unternehmen, die in der Lage sein dürften, die Margen zu wahren und sich bei geringerem Wirtschaftswachstum zu behaupten. Wir halten auch an den Absicherungsstrategien auf Aktienindizes fest, um die Portfolios vor Abwärtsrisiken zu schützen. Im Bereich der Festverzinslichen haben wir unsere Allokation in Staatsanleihen reduziert und sind nun untergewichtet. Insbesondere haben wir unser Engagement in italienischen und brasilianischen Anleihen im Vorfeld der Wahlen im September bzw. Oktober verringert. Die Erlöse aus diesen Veräusserungen werden vorerst in bar gehalten. Dies verschafft uns Flexibilität, um schnell auf künftige Chancen zu reagieren, wo auch immer sie sich ergeben.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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