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    Edouard de Saint Pierre über die Zukunft des französischen Marktes

    Edouard de Saint Pierre über die Zukunft des französischen Marktes

    Interview mit Edouard de Saint-Pierre, veröffentlicht am 20. Januar 2022 in L'Agefi Actifs

    Sechs Monate, nachdem Edouard Saint-Pierre, der neue Geschäftsführer von Lombard Odier France, sein Amt übernommen hat, teilt er mit der Redaktion seine ersten Eindrücke. Der Manager, der die französische Tochtergesellschaft in das europäische Flaggschiff der Gruppe verwandeln will, setzt vor allem auf die neuen Generationen und auf Partnerschaften mit Anlageberatern.

     

    Sie haben die Leitung von Lombard Odier France im Juni 2021 übernommen. Welche Aufgaben haben Sie und wie beurteilen Sie die ersten sechs Monate?

    Lombard Odier ist ein Familienunternehmen, das vor mehr als 225 Jahren gegründet wurde. Ich soll sicherstellen, dass die Bank mit ihrer Zeit Schritt hält – und mit der neuen Generation der Digital Natives und den Unternehmerinnen und Unternehmern im Allgemeinen. Das Gewicht der Tradition darf nicht mit der heutigen Gesellschaft in Konflikt geraten.

    Meines Erachtens sind wir auf dem richtigen Kurs. Letztes Jahr verbuchten wir in Frankreich sehr hohe Neugeldzuflüsse. Unser Geschäft wuchs im zweistelligen Bereich. In den letzten fünf Jahren konnten wir unsere Erträge verfünffachen. Auch unser Mitarbeitenden-Bestand stieg innerhalb von fünf Jahren um mehr als 30%. Heute beschäftigen wir in Paris 15 Privatbankiers. Auf Gruppenebene betreut Lombard Odier ein Kundenvermögen von EUR 340 Mrd. im Rahmen von Verwaltungs- oder Beratungsmandaten. Ein Drittel davon entfällt auf die Schweiz, ein Drittel auf Europa und der Rest hauptsächlich auf Schwellenländer, etwa den Nahen Osten oder Südostasien.

    Die Covid-19-Krise war eher eine Chance für uns, da wir innerhalb des Sektors eine der besten Kernkapitalquoten nach Basel III1 aufweisen. Droht das Boot zu kentern, suchen die Kunden nach einem soliden Partner, auf den Verlass ist.

    Ich soll sicherstellen, dass die Bank mit ihrer Zeit Schritt hält – und mit der neuen Generation der Digital Natives und den Unternehmerinnen und Unternehmern im Allgemeinen. Das Gewicht der Tradition darf nicht mit der heutigen Gesellschaft in Konflikt geraten

    Wie kann man mit den neuen Generationen und der Gesellschaft trotz des anhaltenden Wandels Schritt halten?

    Heute widmet ein typischer Bankier rund 40% bis 60% seiner Zeit Aufgaben, bei denen er nicht im direkten Kontakt mit Kundinnen und Kunden steht. Dies, obwohl bei unserer Tätigkeit die zwischenmenschlichen Beziehungen entscheidend sind. Ich kam 2018 als Verantwortlicher der Digitalisierung zu Lombard Odier. Meine Aufgabe bestand darin, die verwaltungstechnischen Aufgaben zeitmässig zu reduzieren und unseren Bankiers wieder «zwischenmenschliche Zeit» zu verschaffen.

    Als Leiter von Lombard Odier France setze ich diese Mission fort. Denn um mit den neuen Generationen Schritt zu halten, muss man vor allem zu ihrem Ökosystem gehören. Deshalb sind wir seit sechs Jahren Partner von France Digitale und vereinbarten soeben, dieses Engagement zu verlängern. Wir müssen uns der Jugend stellen, den Millennials, deren Anteil an unserer Kundschaft von derzeit lediglich 5% den Prognosen zufolge bis in fünf Jahren auf die Hälfte aller Kundinnen und Kundendavon ansteigen dürfte …

    Um diese Kundinnen und Kunden anzuziehen, genügt es nicht, die eigenen Teams zu verjüngen, obwohl das viele meinen. Ein Privatbankier, der so alt ist wie seine Kundschaft, reicht nicht. Für junge Menschen ist Alter kein Entscheidungsgrund, sofern alle dieselbe «Sprache» sprechen.

    Wie lautet also das Erfolgsrezept?

    Wir haben jüngst eine Studie dazu durchgeführt, wie Millennials das Private Banking umgestalten. Wir baten 100 Studierende an der ESCP Paris und am IEA Nizza, die Beziehungen zwischen Millennials und Private Banking zu untersuchen. Sie sollten beschreiben, welche Kundenerfahrung sie in einer Privatbank wahrscheinlich erwartet und welche sie gerne haben würden. Letztlich wurde uns bewusst, dass es sich eher um eine Weiterentwicklung als um eine Revolution handelt.

    Hervorzuheben ist, dass die befragten Studierenden als Erstes mit Misstrauen reagierten. Die Krise im Jahr 2008 hat Spuren hinterlassen... Diese Feststellung wird durch die Komplexität und eine gewisse Undurchschaubarkeit des Sektors verstärkt. Junge Menschen brauchen Transparenz, deshalb müssen wir ihnen diese auch bieten. Banktarife kann, mit Ausnahme einiger Fachleute, niemand verstehen. Unsere Tätigkeit ist komplex und technisch – wir müssen in der Lage sein, sie zu erklären.

    Die Studierenden betonten zudem, dass es ihnen wichtig sei, einen Bankier zu haben, der Ähnlichkeit mit ihnen selbst aufweist. Das setzt jedoch nicht voraus, dass er 25 ist, Krawatten nicht mag und am liebsten Turnschuhe trägt – sondern vielmehr, dass er ihre Codes versteht, zu ihrem Ökosystem gehört, und ihnen gegenüber offen ist. Diese Generation überprüft Fakten, liest die Publikationen der Unternehmen in den sozialen Medien… Bei ihnen kann man mit Aufrichtigkeit punkten. Wenn Sie nichts von Kryptowährungen, NFT oder der Komplexität der Kapitalbeschaffung für ein Start-up verstehen, sind Sie aus dem Spiel. Ein junger Kunde meinte jüngst, ein Bankier, der ihm ähnelt, sei «ein Bankier, mit dem ich gern ein Bier trinken gehen würde». Diese Einfachheit und Nähe kann man nicht erfinden, sie muss aufgebaut und gepflegt werden.

    Aufgepasst – es geht jedoch nicht darum, in das Klischee des coolen Bankers zu verfallen; das ist nicht, was gewünscht wird. Wenn Sie jemandem die Erlöse aus dem Verkauf Ihres Start-ups anvertrauen, suchen Sie in erster Linie eine kompetente Person.

    Wichtig ist letztlich die Präsenz in ihren Netzen. Es gilt, im Vorfeld ihrer Cash-outs oder Scale-ups da zu sein und grundlegende Ratschläge zu erteilen, damit im richtigen Augenblick bereits ein Kontakt besteht.

    Grosse Bankinstitute reagieren zu oft ausschliesslich digital. Doch die Digitalisierung wird nie die Beziehung zu einem Menschen ersetzen können. Digitale Systeme sind für die Kontakte im Alltag und die administrativen Aspekte wesentlich. Aber sie sind selten der einzige entscheidende Differenzierungsfaktor.

    Die Krise im Jahr 2008 hat Spuren hinterlassen... Diese Feststellung wird durch die Komplexität und eine gewisse Undurchschaubarkeit des Sektors verstärkt. Junge Menschen brauchen Transparenz, deshalb müssen wir ihnen diese auch bieten. […] Unsere Tätigkeit ist komplex und technisch – wir müssen in der Lage sein, sie zu erklären

    Sind die ESG-Faktoren ausschlaggebend, um die neuen Generationen anzuziehen?

    Sie sind wesentlich, aber nicht nur für die neuen Generationen. Heute behaupten alle, verantwortungsvoll und nachhaltig zu investieren. Es ist schwierig, sich abzuheben. Neben dem Aufbau der Expertise müssen wir wirksam kommunizieren und die richtigen Botschaften übermitteln.

    Wir haben uns nicht für binäre Methoden entschieden, wie es oft bei Ausschlussfiltern der Fall ist. Wir haben mit der Universität Oxford eine Partnerschaft geschlossen, um unsere Portfolios strategisch auf die 2030er- und 2050er-Ziele des Pariser Abkommens auszurichten. Wir berechnen die «Temperatur» der Portfolios mit Kriterien, die sich eher auf die «Best-in-Progress» als auf die «Best-in-Class» stützen. Wenn Sie eine Wirkung erzielen wollen, müssen Sie auf Unternehmen im Wandel setzen, nicht nur auf die heutigen Musterschüler. Auf die Stahlindustrie entfallen 7% bis 9% der weltweiten CO2-Emissionen. Wenn Sie es schaffen, in diesen Sektoren Änderungen zu bewirken, haben Sie gewonnen. Am schwierigsten bei dieser Strategie ist die Pädagogik, denn es ist nicht für jeden selbstverständlich, ein nachhaltiges Portfolio mit beispielsweise TotalEnergies aufzubauen...

    Zudem ist es wichtig, mit gutem Beispiel voranzugehen. Heute sind wir die einzige Privatbank in Frankreich mit einer B Corp-Zertifizierung. Wir sind ein Risiko eingegangen, weil es schwierig ist, an diesem Label festzuhalten, aber es ist auch eine Garantie für unsere Kundinnen und Kunden.

     

    Sie haben Kryptowährungen erwähnt. Sind diese heute mit dem Private Banking vereinbar?

    Die neuen Generationen sind eigentlich viel vorsichtiger, als man oft meint. Sie suchen nach Stabilität und Vertrauen in Bezug auf die Wertpapiere, in die sie investieren. Sobald es aber um «Kryptos» geht, kommen alle ins Schwärmen. Wir müssen sie daran erinnern, dass diese Anlagen einer beispiellosen Volatilität unterliegen und hochspekulativ sind. Jedoch dürfen wir uns nicht um dieses Thema drücken.

    Bei Direktanlagen verweisen wir sie hingegen an Spezialisten, da wir es vorerst ablehnen, uns damit selbst zu beschäftigen. Unserer Aufgabe besteht darin, die richtigen Ansprechpartner für unsere Kundschaft zu finden.

     

    Kommen wir auf Ihr Amt zurück. Welche Ambitionen hegen Sie für Frankreich?

    Frankreich ist ein strategisch wichtiger Markt für Lombard Odier. Wir sind hier seit 20 Jahren ununterbrochen präsent. Den Prognosen nach steht Frankreich an vierter Stelle in Bezug auf das Wachstum der Millionäre, nach den USA, China und Japan – d.h. Märkten, die schwierig anzugehen sind. Meine Aufgabe besteht darin, Frankreich zum europäischen Flaggschiff von Lombard Odier zu machen.

    Ich bin nicht einverstanden mit der Vision von Frankreich als einem Land, dem es schlecht geht und das sich nicht entwickelt. Ganz im Gegenteil! Es ist unglaublich dynamisch, insbesondere auf Ebene des Unternehmer, auf die wir uns bei unserer Entwicklung stützen wollen. Diese Dynamik ist nicht nur in Paris sehr ausgeprägt, sondern auch ausserhalb. Wir müssen zu diesem Ökosystem gehören. Das setzt vor allem eine grössere Nähe zu den Anlageberatern, darunter die Family Offices, voraus. Eines meiner Ziele besteht darin, diese Partner in den Mittelpunkt unseres Systems zu stellen. In der Schweiz arbeiten wir mit diesen Akteuren bereits Hand in Hand.

    Den Prognosen nach steht Frankreich an vierter Stelle in Bezug auf das Wachstum der Millionäre, nach den USA, China und Japan – d.h. Märkten, die schwierig anzugehen sind. Meine Aufgabe besteht darin, Frankreich zum europäischen Flaggschiff von Lombard Odier zu machen

    Angesichts der zunehmenden Konzentration wollen manche auf Ihren Gründen jagen...

    Wir dürfen dieses Phänomen nicht ignorieren und denken, dass wir alles ganz alleine machen und auf die Anlageberaterinnen und -berater herabschauen können. Ziel ist es nicht, mit ihnen in ihren Kundensegmenten zu konkurrieren, sondern eher herauszufinden, wie wir ihnen helfen können, sich weiterzuentwickeln. Wir brauchen sie, um Unternehmerinnen und Unternehmer anzusprechen. Mit ihren Netzen haben sie eine Kundennähe, die uns fehlt. Im Gegenzug brauchen sie uns, um Zugang zu Dienstleistungen zu erhalten, die sie selbst nicht anbieten.

    Ich rate ihnen, sich an unsere dedizierten Teams zu wenden, die die Anforderungen verstehen und die entsprechenden Lösungen ausarbeiten. Nachhaltige Produkte? Eine Depotbank? Research? Asset Allocation? Es gibt viele Möglichkeiten...

     

    Diese Konzentration ist Ihnen somit kein Dorn im Auge?

    Absolut nicht. Ich sehe die Lage aus der Sicht der Schweiz, wo der Markt für Finanzintermediäre weit ausgereifter ist. Deshalb kann ich viel optimistischer sein. In der Schweiz gibt es grosse unabhängige Akteure, die sich durchgesetzt haben. Eine unserer wichtigsten Einkommensquellen sind externe Finanzberater.

    Selbstverständlich stehen wir mit manchen Kundinnen und Kunden im Wettbewerb, aber es liegt an uns, uns so zu differenzieren, dass wir uns gegenseitig ergänzen. Ich weigere mich, sie als Konkurrenten zu sehen. Denn dies würde bedeuten, dass wir uns gegen sie stellen müssten. Dabei geht es im Gegenteil darum, sie zu begleiten und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Auf sie entfällt heute bereits ein hoher Anteil unserer Erlöse, doch wir können diesen weiter ausbauen.

     

    1 A. d. R.: Die Kernkapitalquote (CET1) von Lombard Odier beträgt 29,1%.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG oder einer Geschäftseinheit der Gruppe (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig wäre, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende Abgabe rechtswidrig wäre.

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