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Die Schweiz ist Wegbereiterin für nachhaltige Finanzen
Interview veröffentlicht in La Liberté, 10. Juni 2021
Yves Genier
„Nachhaltige Finanzanlagen“ Nachhaltige Anlagen, bei denen die Umwelt-, Sozial- und Governance-Merkmale (ESG) der Unternehmen, in die investiert wird, ein wesentliches Kriterium sind, rücken zunehmend in den Fokus der Bankiers. Und weil diese Anlagen mittlerweile mehr als 20% aller in der Schweiz verwalteten Sparvermögen ausmachen und jährlich um 30% wachsen, sind sie so wichtig geworden, dass die Schweizer Privatbanken in diesem Bereich eine globale Führungsrolle einnehmen wollen. Selbst Bundespräsident Guy Parmelin wies am Donnerstag am Private Banking Day in Genf darauf hin.
„Die Schweiz kann dies erreichen, wenn sie wirklich will. Aber sie muss schnell handeln, denn die Welt ist in Bewegung und andere Länder streben das gleiche Ziel an“, so Thomas Vellacott, Generaldirektor WWF Schweiz, an der gleichen Veranstaltung. Derweil dämpft Zeno Staub, Direktor der Bank Vontobel, die Begeisterung: „Es ist naiv zu glauben, dass die Bankkunden ohne politischen Druck massiv umdenken werden.“ Doch Patrick Odier, ehemaliger Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung und Senior Managing Partner der Genfer Privatbank Lombard Odier, setzt sich seit mehreren Jahren genau dafür ein.
Tut der Schweizer Finanzsektor genug, um die Ziele des Pariser Abkommens umzusetzen?
Die Schweiz hat das Erreichen der Klimaziele zu einem strategischen Ziel erklärt. Der Finanzsektor ist aufgrund seiner Grösse und seines Know-hows ein wichtiger Akteur bei diesem Übergang. Es geht nicht darum, eine moralische Haltung einzunehmen, sondern darum, Investitionen und Kredite auf nachhaltigere und damit weniger riskante Aktivitäten zu verlagern.
Was die Öffentlichkeit aber vor allem sieht, sind Bankiers, die sich im Mercedes oder Porsche Cayenne fortbewegen: Wie ehrlich ist dieser Ansatz?
Die Einstellung zur Nachhaltigkeit ändert sich rasch. Heute müssen Akteure am Finanzmarkt nachhaltige Faktoren berücksichtigen, wenn sie ihren Job richtig machen wollen. Und dieser besteht darin, die besten Renditequellen zu finden und Risiken zu minimieren. Der Sektor hat verstanden, dass Klimarisiken, neben anderen Risiken, Teil der Fundamentalanalyse sind.
Das scheint noch nicht für alle professionellen Anleger zu gelten ...
Seit 2015 vollzieht sich in dieser Hinsicht ein Stimmungswandel, und zwar immer schneller. Klima- und Umweltschäden werden ermittelt, bewertet und kommuniziert. Einige Grossunternehmen sind sogar in Konkurs gegangen, weil sie diese Risiken unterschätzten. Der technologische Fortschritt ermöglicht es uns, die Ursache der Probleme besser zu erkennen, zu quantifizieren und Lösungen zu finden. So messen heute Tausende von Satelliten in Echtzeit die Temperatur auf fast jedem Hektar des Planeten! Vor fünf oder zehn Jahren wäre dies noch undenkbar gewesen.
Nach Angaben von Swiss Sustainable Finance (SSF) liegen die nachhaltigen Investitionen in der Schweiz bei 1520 Milliarden Franken1. Noch vor ein paar Jahren war dies deutlich weniger. Wie ist diese Entwicklung zu erklären?
Dieser signifikante Anstieg und das sich darin widerspiegelnde Investoreninteresse kommen zu einer Zeit, in der in Europa, den USA und anderswo Konjunkturpakete geschnürt werden, um die Menschen in ein hoffentlich nachhaltigeres Arbeitsleben zurückzuführen. Es liegt an jedem von uns zu überlegen, wie wir durch unser Mobilitätsverhalten, unsere beruflichen Aktivitäten, aber auch durch die Anlage unserer Ersparnisse zu einer nachhaltigeren Welt beitragen können.
Die europäische Gesetzgebung zur Definition der Nachhaltigkeitskriterien für Kapitalanlagen – die Verordnung zur EU-Klimataxonomie – wird Anfang 2022 in Kraft treten. Werden die Schweizer Banken bereit sein?
Die EU ist einer der Antreiber für die weltweiten Regulierungsbemühungen in diesem Bereich. Es sind noch nicht alle Fragen geklärt, aber die Entwicklung geht in eine klare Richtung: die Lenkung der Investitionstätigkeit hin zu nachhaltigen Anlagen. Die europäische Taxonomie wird jedoch nicht automatisch für die Schweiz gelten.
Weil sie nicht Mitglied der EU ist?
Ja, und weil unsere Wirtschaft bereits weitgehend „grün“ ist. Wenn Banken jedoch weiterhin ihre Anlagefonds und andere Finanzprodukte in EU-Ländern vertreiben wollen, müssen sie sich an diese Gesetzgebung anpassen. Der Finanzsektor ist eine Exportindustrie mit hoher Wertschöpfung, der sich ebenfalls an die EU-Vorschriften zu halten hat, wenn er auf diesem Markt weiterhin erfolgreich sein will.
Ein Bankier, der sich für soziale Anliegen einsetzt: Wie wollen Sie die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass dies ein ernst zu nehmender Ansatz ist?
Wenn man Unternehmer ist, was ich bin, muss man auch ein soziales Gewissen haben. Der Finanzsektor kommt nicht umhin, ein Verständnis für soziale Risiken zu entwickeln. Es liegt nicht in seinem Interesse, in einem von sozialer Instabilität geprägten Umfeld zu operieren. Und die Schweiz zeigt in perfekter Weise, wie wichtig Stabilität ist!
Wo steht die Schweiz in der Debatte um die Definition von Sustainable Finance? Wird sie eine eigene Taxonomie entwickeln oder wird sie sich an anderen orientieren?
Ein bisschen von beidem. Sie wird den von der TFCD (Task Force on Climate Investment Transparency) definierten internationalen Standard übernehmen. Sie wird auch versuchen zu vermeiden, dass der Öffentlichkeit „nachhaltige“ Sparprodukte verkauft werden, die in Wirklichkeit nicht nachhaltig sind. Ein solches Risiko besteht zwar, doch der Schweizer Rechtsrahmen schützt die Sparer bereits gut.
Schliesslich entwickelt der Finanzsektor Methoden, um die Ausrichtung eines Unternehmens, wenn es um die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele geht, mit dem Durchschnitt des jeweiligen Sektors zu vergleichen. Diese letzte Information ermöglicht es Anlegern, in Unternehmen zu investieren, die besser positioniert sind als ihre Konkurrenten. Aber er kann sich auch dafür entscheiden, in die umweltschädlichsten Unternehmen zu investieren und diese in Richtung mehr Nachhaltigkeit zu beeinflussen. Es gibt bereits viele Beispiele für ökologische Veränderungen, die unter dem Druck der Aktionäre vorgenommen werden.
Welche Behörde wird schlichten?
Die Finma und die SNB werden Banken und Versicherungen auffordern, ihre Klimarisiken offenzulegen, um zu verhindern, dass die Kosten einer Katastrophe sie in finanzielle Schwierigkeiten bringen könnten. Banken und Versicherungen, die zu viele Klima- und Umweltrisiken auf sich genommen haben, müssen ihre Kapitalbasis stärken. In der Branche erinnert man sich daran, dass die Brände in Kalifornien vor zwei Jahren zum Konkurs einer grossen Versicherungsgesellschaft führten, die nicht in der Lage gewesen war, die Ansprüche ihrer Versicherungsnehmer abzugelten. Die gleichen Anstrengungen werden auf internationaler Ebene unternommen. Daher werden die Kapitalkosten für die Finanzakteure, die diesen Risiken am stärksten ausgesetzt sind, fortan höher sein.
Wie sieht es mit der europäischen Taxonomie aus?
Europa ist in diesem Bereich weit voraus, aber auch andere Länder haben ihr eigenes Konzept entwickelt: Kanada und Singapur sind gute Beispiele. Es ist wichtig, dass wir in der Schweiz die Fähigkeit erhalten, über die Regeln von morgen nachzudenken. Dennoch müssen wir eine zu grosse Diskrepanz zwischen den verschiedenen Regulierungssystemen vermeiden, da dies Unternehmen dazu verleiten könnte, sich am wenigsten anspruchsvollen System zu orientieren und so strengere Vorgaben zu umgehen. Es liegt im Interesse der Schweiz, sich den besten Systemen anzunähern, zumal unser Finanzplatz durchaus in der Lage ist, sich Gehör zu verschaffen. Wir müssen unsere eigenen Vorschläge einbringen.
Wird eine Schweizer Regelung ausreichend europakompatibel sein, um von der EU eine Anerkennung der Gleichwertigkeit zu erhalten?
Ich denke, die Schweiz wird sicherlich erkennen, dass es keine Notwendigkeit gibt, eine zusätzliche Taxonomie zu erstellen. Die Entscheidung sollte bald getroffen werden. Auch sollte sie sich an den europäischen Überlegungen beteiligen und darauf hinwirken, dass über die Klimathematik hinaus auch die gesellschaftlichen und mit den natürlichen Ressourcen zusammenhängenden Herausforderungen gebührend berücksichtigt werden. Die Schweiz ist dafür ideal positioniert, denn sie bringt alle betroffenen Akteure zusammen. Trotz Ablehnung des Rahmenabkommens werden wir unseren Einfluss bei den technischen Diskussionen geltend machen können.
1 https://marketstudy2021.sustainablefinance.ch/downloads/SSF2021MSfull144dpi.pdf
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG oder einer Geschäftseinheit der Gruppe (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig wäre, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende Abgabe rechtswidrig wäre.
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