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Building Bridges 2023: Die Elektrifizierung der Wirtschaft – eine Chance von EUR 2 Bio.
„Das Ausmass des Elektrifizierungsprozesses ist enorm. Bis 2030 werden wir Investitionen von mehr als USD 24 Bio. getätigt haben. Bis 2050 werden 70% der Wirtschaft elektrifiziert sein; Stand heute sind es 20%. Dies führt zu einer Umwälzung der Lieferketten, einer Verlagerung der Wertschöpfungsketten und der Entstehung neuer, innovativer Geschäftsmodelle. Anlegerinnen und Anlegern kommt bei der Beschleunigung des Wandels und den vielversprechenden Investitionsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben, eine wichtige Rolle zu.“
Dies war die Botschaft von Jean-Pascal Porcherot, geschäftsführender Teilhaber von Lombard Odier, als er beim Gipfel Building Bridges 2023 in Genf eine Diskussion eröffnete mit dem Titel: „Elektrifizierung: die grösste Chance in der Geschichte des Kapitalismus?“. Die Veranstaltung, an der zahlreiche Persönlichkeiten aus dem Energiesektor teilnahmen, fand im Rahmen der Aktionstage der Initiative Building Bridges statt. Dort bot sich auch die Möglichkeit, eine globale nachhaltige Finanzierung auf den Weg zu bringen und neue Kooperationen zwischen Finanzbranche, Industrie, Nichtregierungsorganisationen und politischen Entscheidungsträgern aufzubauen.
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Ein tiefgreifender Wandel
Michael Urban, Chefstratege für Nachhaltigkeit bei Lombard Odier, erklärte, dass die Politik den Elektrifizierungsprozess massgeblich beeinflusse. „Politische Massnahmen sind auf einem Allzeithoch. Die Unterstützung ist so gross wie nie zuvor“, sagte er. Dabei verwies er auf Verpflichtungen wie das chinesische Emissionshandelssystem – der weltweit grösste CO2-Markt. Zudem erinnerte er an die Förderung der Wind-, Solar- und Wasserkraftproduktion durch die Kommunistische Partei Chinas im Rahmen ihres aktuellen Fünfjahresplans für die Entwicklung erneuerbarer Energien. Reflektiere man den europäischen „Green Deal“, den „Inflation Reduction Act“ in den USA und die Politik in China, so sei mit einer staatlichen Unterstützung des Übergangs in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar zu rechnen – jedes Jahr.
Die Politik sei zwar wichtig, so Michael Urban, die Wirtschaft habe aber inzwischen die Kontrolle übernommen. Denn neue Technologien – sowohl Solar- und Windkraft für die Stromerzeugung als auch Wärmepumpen auf Verbraucherseite – übertreffen mittlerweile etablierte Technologien in Bezug auf Preis und Leistung. „Der Kapitaleinsatz wird erweitert, und die Produktionskapazitäten nehmen zu; das setzt Skaleneffekte frei. So entsteht eine überzeugende wirtschaftliche Grundlage für Verbraucher und Unternehmen. Und das setzt letztlich diese nachhaltige Wachstumsgeschichte in Gang.“
Überraschend ist, dass der Endenergieverbrauch Michael Urban zufolge insgesamt sinken dürfte; auch wenn die Stromnachfrage aktuell rasch ansteigt. Denn die Effizienzsteigerung bei den elektrischen Technologien auf der Nachfrageseite ist so gross, dass das Energiesystem der Zukunft weniger Energie erzeugen und transportieren muss als heute. Wärmepumpen sind beispielsweise dreimal so effizient wie Gaskessel, Elektromotoren dreimal so effizient wie Verbrennungsmotoren. Das gilt trotz der Prognosen, dass sich die Weltwirtschaft bis 2050 mehr als verdoppeln könnte.
Der industrielle Wandel
Kingsmill Bond ist Senior Principal im Strategieteam von RMI, einer gemeinnützigen Organisation zur Beschleunigung des Übergangs zu sauberer Energie – vormals Rocky Mountain Institute. Er ging auf das Thema Energieeffizienz ein. „[Die Elektrifizierung] ist mindestens dreimal so effizient wie das auf fossilen Brennstoffen beruhende Energiesystem. Sie bietet zahlreiche beeindruckende Vorteile“, sagte er. „Daneben ist Elektrizität aktuell die Hauptquelle für Nutzenergie und der einzige Bereich des Energiesystems, der noch weiter wächst. Alle anderen haben ihren Zenit erreicht.“
Dieser Zenit ist Kingsmill Bond zufolge in China durch die rasche Umstellung der Industrie auf Elektrizität erreicht worden. Dabei wies er auf den Unterschied zwischen der Schwerindustrie und der weniger ressourcenintensiven Leichtindustrie hin. Die Leichtindustrie produziert in der Regel kleinere Konsumgüter wie Spielzeug und Heimtextilien und benötigt weniger Energie: „Jeder spricht darüber, wie schwierig es ist, die Schwerindustrie zu dekarbonisieren. Dagegen ist es relativ einfach, die Leichtindustrie zu dekarbonisieren. In China wird die chinesische Leichtindustrie derart schnell elektrifiziert, dass die weltweite Nachfrage nach fossilen Brennstoffen 2014 ihren Höhepunkt erreichte. Das gesamte Wachstum im Industriesektor seit 2014 ist auf Elektrizität zurückzuführen, insbesondere auf die Elektrifizierung der chinesischen Leichtindustrie.“
Camilla Nilsson ist Geschäftsführerin bei der Kyoto Group. Der Konzern vermarktet nun seine innovative Batterie auf Salzbasis, die erneuerbaren Strom in Wärme umwandelt, und zwar für Industrieanlagen und Fernwärmesysteme. Sie wies darauf hin, dass sich der Elektrifizierungsprozess nun auch auf die Schwerindustrie ausweiten könne. „Zwei Drittel der Energienachfrage einer Industrieanlage betreffen den Wärmebereich“, so Camilla Nilsson. „Aktuell wird sie fast vollständig aus fossilen Brennstoffen erzeugt. Doch die Technologie ist bereits vorhanden, um diese Gaskessel zu ersetzen – und sie ist bewährt und skalierbar. Wir können schon heute mit der Umstellung beginnen.“
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Das Netz der Zukunft
Moderator der Diskussion war Mattia Romani, Chief Policy Officer bei holistiQ Investment Partners. Er richtete die Frage an die Teilnehmenden, wie das Stromnetz der Zukunft aussehen könnte, wenn die Stromnachfrage steigt. Und ob wir über genügend Rohstoffe verfügen, um die erforderliche Infrastruktur auszubauen.
Agustín Delgado Martín, Chief Innovation and Sustainability Officer beim spanischen Unternehmen für erneuerbare Energien Iberdrola, erklärte, wie Spanien durch die Dezentralisierung des Netzes eine entscheidende Wende zu erneuerbarem Strom erreichte. „Früher wurde an 30 Standorten Strom erzeugt. Heute haben wir 300 Standorte – denn erneuerbare Energie ist von Natur aus geografisch verteilt. Das neue System, das wir errichten, ist vollständig dezentralisiert. 2005 glaubten wir noch, dass der Anteil erneuerbarer Energie gerade einmal 20% betragen könnte, keinesfalls mehr. Heute können wir in Spanien an einigen Tagen und sogar Wochen bis zu 80% Strom aus erneuerbarer Energie erzeugen.“
Zum Thema Rohstoffe erklärte Kingsmill Bond: „Die Auswirkungen eines erneuerbaren Energiesystems auf die Natur sind erheblich geringer als diejenigen eines auf Verbrennung fossiler Brennstoffe beruhenden Systems.“ Kingsmill Bond zufolge verbrennen wir jedes Jahr 15 Milliarden Tonnen fossile Brennstoffe; dagegen benötigen wir nur 35 Millionen Tonnen kritische Mineralien.
Auf die Frage, ob wir über ausreichend Seltene Erden – beispielsweise Lithium und Kobalt für die Herstellung von Batterien – verfügen, antwortete er: „Geht man von kleinen Mengen zu exponentiellem Wachstum über, und dies ist aktuell zu beobachten, so kommt es wie überall zu Kinderkrankheiten. Es wird Zeiten geben, in denen die Nachfrage das Angebot übersteigt. Aber die Antwort darf nicht lauten: „Das ist nicht machbar.“ Es gilt, Lösungen zu finden.“
„Diese Lösungen umfassen beispielsweise einen massiven Ausbau der Kreislaufwirtschaft. Dazu zählen das Recycling und der effiziente Umgang mit Ressourcen – wie etwa die Rückgewinnung von Kobalt aus Altbatterien. Machen wir das nicht, werden wir es schwer haben. Machen wir es aber richtig, haben wir jede Menge Mineralien.“ Der Internationalen Energieagentur zufolge sind genügend Ressourcen vorhanden, versicherte er den Delegierten.
Die Teilnehmenden erfuhren, dass im Zuge der Elektrifizierungsrevolution jedes Jahr zwei Millionen Kilometer neue Netzinfrastruktur gebaut werden müssen: Das reicht, um die Erde fünfzigmal zu umrunden. Für Agustín Delgado Martín stellt dieser massive Ausbau der Infrastruktur eine Chance für die Anlegerinnen und Anleger dar. „Sie müssen umfassend in Netze investieren. Aufgrund der langen Lebensdauer dieser Vermögenswerte – diese sind auf 50 oder 60 Jahre ausgelegt – belaufen sich die Kosten für den Kunden auf lediglich EUR 1,5 bis 2 pro Megawattstunde (MWh). Die erforderlichen Investitionen sind sehr hoch, die finanziellen Auswirkungen hingegen sehr gering. Es gibt kein technisches Problem, und es gibt kein Anlageproblem. Es gibt auch kein Ressourcenproblem und kein Problem für den Kunden. Damit ist das Netzsystem kein Problem für den Energiewandel.“
Eine Chance von EUR 2 Bio.
Laut Michael Urban ist die „Kehrseite der Medaille“ einer zügigen Elektrifizierung der Rückgang der aus fossilen Brennstoffen gewonnenen Energie. „Wir sprechen über ein grundsätzliches Neudenken des Energiesystems. Bereits 2022 überstiegen die Investitionen in saubere Technologien mit rund USD 1 Bio. die Investitionen in die Instandhaltung der Öl- und Gasinfrastruktur in Höhe von etwa USD 800 Mio. Die Unternehmen sehen künftige Quellen für nachhaltige Umsätze und Gewinne und wollen diese durch direkte Investitionen erschliessen.“
Kingsmill Bond bestätigte dies und erklärte, dass die Branche erneuerbarer Energien darauf abziele, was er als „die gigantischen Gewinnspannen im fossilen Brennstoffsystem“ bezeichnet. „Die Ölförderung kostet Saudi-Arabien – im Verhältnis – USD 10; sie verkaufen das Öl anschliessend für USD 100“, so Bond. „Das macht im Verhältnis eine Spanne von USD 90. Hochgerechnet kommt man auf EUR 2’000 Mrd. pro Jahr. Das ist die Chance der Elektrifizierung.“
Mattia Romani stellte fest, dass Aktien aus dem Bereich Elektrifizierung in den letzten Monaten an den Börsen unterdurchschnittlich abgeschnitten haben – trotz enormer Chancen sowie der Effizienz- und Kostenvorteile der Elektrifizierung. „Warum ist der Aktienmarkt noch nicht so weit?“, fragte er.
Für Agustín Delgado Martín handelt es sich lediglich um ein kurzfristiges Problem. „Der Investitionsaufwand für den Energiewandel ist hoch. In einem Umfeld hoher Zinsen fliesst das Geld zuweilen nicht in diese hohen Investitionen, sondern in Anleihen. Das bedeutet aber nicht, dass wir das Investitionsniveau senken.“
Kingsmill Bond bestätigte dies und merkte an, jede Unterbrechung der Investitionsströme wäre nur kurzfristig. „Ich glaube nicht, dass wir uns Sorgen über eine Störung der Entwicklung machen müssen. Eine Menge Kapital fliesst in diesen Bereich auf der Jagd nach Renditen. Und es wird Gewinner geben – bei der Digitalisierung, bei Technologien zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit oder bei Kabeltechnologien.“
Ein schlagkräftiges Argument
„Doch das System der fossilen Brennstoffe ist sehr anfällig“, so Kingsmill Bond weiter. „Die Nachfrage hat bereits ihren Höhepunkt erreicht und wird bis Mitte dieses Jahrzehnts auf diesem Niveau verharren. Dann wird es zu einem längerfristigen drastischen Rückgang kommen. Meiner Ansicht nach sollten sich Anlegerinnen und Anleger daher aktuell keine Sorgen über ihre Investitionen in erneuerbare Energien machen. Sie sollten sich vielmehr um ihre Investitionen in fossile Brennstoffe sorgen, denn hier besteht das eigentliche Risiko.“
Für Michael Urban führt diese Abkehr von fossilen Brennstoffen „zu massiven Verschiebungen bei den Wertschöpfungen.“ „Anlegern kommt bei der Beschleunigung des Wandels und den Investitionsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben, eine wichtige Rolle zu,“ erklärte er.
Die Tatsache, dass Aktien im Bereich Elektrifizierung an den Aktienmärkten nicht angemessen bewertet werden, so Michael Urban, „ist der Grund, warum wir diese für sehr attraktiv halten. Wenn wir uns ansehen, wie der Markt Unternehmen aus dem Bereich Elektrifizierung bewertet, wird deutlich, dass sie mehr oder weniger gleichauf mit dem breiteren Aktienmarkt sind. Betrachten wir diese Unternehmen jedoch in Bezug auf ihre Kapitaleffizienz, also die Eigenkapitalrendite, zeigt sich, dass diese deutlich höher ist und zudem ein teilweise doppelt so hohes Wachstum bietet. Die gleiche Bewertung für ein bis zu doppelt so hohes Wachstum – das sollte für die meisten Aktienanlegerinnen und Anleger ein Argument sein.“
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