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    Wird China Russland zur Seite stehen?

    Wird China Russland zur Seite stehen?

    Das Jahr 2022 dürfte für Chinas Politikzyklus von entscheidender Bedeutung sein. Auf dem Parteitag Ende des Jahres wird die Kommunistische Partei Chinas mit ziemlicher Sicherheit Präsident Xi Jinping für eine historische dritte Amtszeit bestätigen. In Anbetracht der sich hinziehenden Invasion Russlands in der Ukraine muss China mittlerweile jedoch seine innenpolitische Agenda mit den eskalierenden geopolitischen Spannungen in Einklang bringen; dies lässt brisante Fragen aufkommen.

    Wird China das Risiko einer Provokation des Westens eingehen, um sich an die Seite Russlands zu stellen, und welche Auswirkungen hätte dies in Bezug auf die Situation in Taiwan? Welche Herausforderungen stellen sich China mittelfristig bei seinen Bemühungen für den Wandel hin zu einer konsumorientierten Wirtschaft mit mittlerem Einkommensniveau? Und welche Rolle wird das Land angesichts einer neuen internationalen Ordnung spielen?

    Mehr als 100 Kundinnen und Kunden nahmen an unserer Veranstaltung „Rethink Perspectives“ teil; Carrie Gracie, ehemalige China-Redakteurin bei BBC News und führende Kommentatorin, und Samy Chaar, Chefökonom bei Lombard Odier, erörterten die genannten drängenden Fragen.

    Carrie Gracie lebte und arbeitete während eines Grossteils ihrer beruflichen Laufbahn als Journalistin in China. So ermöglichte sie wichtige Einblicke und eine einzigartige Perspektive auf das Land, seine geopolitischen Absichten und seine Beziehungen zum Westen.

    China kann es sich nicht leisten, den Westen zu provozieren, indem es einen Schurkenstaat genau dann unterstützt, wenn Xi ein zunehmendes Unbehagen vor seiner umstrittenen Wiederwahl abwiegeln muss

    Eine Zeitenwende

    Samy Chaar begann mit der Erläuterung des makroökonomischen Kontextes. Der Krieg in der Ukraine hat eine irreversible „Zeitenwende“ geschaffen, in der sich Russland mit einer Zukunft von politischer Isolation und anhaltenden Sanktionen konfrontiert sieht, während China und Indien wichtige Handelspartner bleiben.

    Die innenpolitische Agenda Chinas wird 2022 oberste Priorität haben, um vor dem Parteitag Stabilität zu gewährleisten. „Momentan steht China vor grossen Herausforderungen: steigende Covid-Infektionen, ein angeschlagener Immobiliensektor und eine alternde Bevölkerung“, so Samy Chaar. Die USA gingen zu einer Straffung ihrer Geldpolitik über, während China weiterhin eine entgegengesetzte Haltung einnimmt und sogar an den Kapitalmärkten interveniert.

    Abgesehen davon ist der Wandel zu einer konsumorientierten Wirtschaft eine immense Aufgabe, die bislang nur wenige Länder bewältigten. Es liegt im Interesse Chinas, zur gesamten Welt hervorragende Handelsbeziehungen zu unterhalten.

     

    Ein „grenzenloses“ Bündnis?

    Beide waren sich einig, dass China wohl kaum direkte Unterstützung für Russland gewähren würde. „China versucht, es sich auf würdevolle Weise zwischen allen Stühlen bequem zu machen“, meint Carrie Gracie. „Das Land kann es sich nicht leisten, den Westen zu provozieren, indem es einen Schurkenstaat genau dann unterstützt, wenn Xi ein zunehmendes Unbehagen vor seiner umstrittenen Wiederwahl abwiegeln muss.“ China hat seinen wirtschaftlichen Erfolg nicht zuletzt dem langjährigen weltweiten Wohlstand und der bisherigen globalen Ordnung sowie der Entwicklung eines globalen Finanzsystems zu verdanken. Noch kann es sich das Land nicht leisten, sich vom Westen abzukoppeln.

    China versucht, es sich auf würdevolle Weise zwischen allen Stühlen bequem zu machen. Noch kann es sich das Land nicht leisten, sich vom Westen abzukoppeln

    Indessen dürfte Russland dennoch nicht völlig isoliert sein. Obschon es China vermieden hat, die Unabhängigkeit der von den Separatisten gehaltenen ukrainischen Regionen anzuerkennen, hat es die russische Aggression auch nicht ausdrücklich verurteilt. Zudem hat Chinas „grenzenloses“ Bündnis mit Russland in den letzten Jahren an Stärke gewonnen, und das derzeitige innenpolitische Narrativ ist unmissverständlich antiwestlich. So machte China schnell das Expansionsstreben der Nato für den aktuellen Konflikt verantwortlich.

    „Man muss ein Gefühl für das Ausmass von Chinas Abneigung gegen das bekommen, was das Land als Vormachtanspruch der USA wahrnimmt“, so Carrie Gracie weiter. Die antiwestliche Haltung lässt sich fast zweihundert Jahre zurückverfolgen – bis zur Demütigung des Landes in den Opiumkriegen. Massnahmen im Namen demokratischer Werte des Westens werden in der Regel als blosse Realpolitik verunglimpft.

    Der „unipolare Moment“, als die UdSSR 1991 zusammenbrach, war ein verheerender Schlag für China und die weltweite kommunistische Bewegung. „Für China basiert das Bündnis mit Russland gleichermassen auf Ideologie und seiner antiwestlichen Agenda wie auf Handelsbeziehungen und militärischer Macht.“

    Man muss ein Gefühl für das Ausmass von Chinas Abneigung gegen das bekommen, was das Land als Vormachtanspruch der USA wahrnimmt

    Aus Fehlern lernen

    Carrie Gracie ist der Ansicht, dass ein Versuch der Zurückeroberung von Taiwan als vorerst sehr unwahrscheinlich einzustufen ist. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf Chinas aktuelle innenpolitische Probleme und die Erfordernis, zunächst ein Gefühl der politischen und wirtschaftlichen Stabilität zu etablieren.

    China wird jedoch die langwierige und kostspielige Landinvasion Russlands in der Ukraine genau im Auge behalten und daraus Lektionen ziehen. Das Land wird die möglichen Kosten einer Invasion Taiwans auf dem Seeweg abschätzen und prüfen, ob es sich vor westlichen Sanktionen schützen kann. „Der aussergewöhnliche Widerstand des einfachen ukrainischen Volkes gegen einen schier übermächtigen Feind wird die chinesischen Behörden konsternieren“, so Carrie Gracie. „Ein solches Mass an Autonomiebestrebung ist China ganz einfach ein Gräuel.“

    Umgekehrt wird Taiwan durch den ukrainischen Widerstand sehr ermutigt und darauf bedacht sein, wie es Peking abschrecken kann, indem es seinerseits die Kosten einer Invasion erhöht.

    Steigt die Wahrscheinlichkeit, dass China in den nächsten zehn Jahren diesbezüglich Massnahmen ergreift? „Xi hat unmissverständlich kundgegeben, dass Taiwan ‚zurück in den Schoss des Mutterlandes kommen wird‘. Er akzeptiert die Vorherrschaft der USA im westlichen Pazifik einfach nicht, und er ist auf sein Vermächtnis bedacht. Rhetorik und Militärausgaben deuten darauf hin, dass Peking ab 2030 auf eine Invasion vorbereitet sein könnte“, erklärte Carrie Gracie.

    Rhetorik und Militärausgaben deuten darauf hin, dass Peking ab 2030 auf eine Invasion vorbereitet sein könnte

    Ausgaben zur Vermeidung einer Rezession

    Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine werden sich in mehrfacher Hinsicht bemerkbar machen, u.a. durch den Rückgang des Handels, ein geringeres Anleger- und Konsumentenvertrauen und höheren Energiepreise. Trotz des unvermeidlichen Preisschocks, insbesondere in Europa, bleibt Samy Chaar allerdings zuversichtlich, dass die schlimmsten wirtschaftlichen Folgen abgefedert werden können.

    „Unser Basisszenario läuft darauf hinaus, dass sich trotz aller Ereignisse eine Rezession vermeiden lässt“, so Samy Chaar. Wirtschaftlich ist der Westen heutzutage weniger abhängig vom Erdöl als in den 1970er-Jahren, und der starke globale Aufschwung nach der Pandemie dürfte jede Verlangsamung auffangen.

    Die Vorhaben der EU, erhebliche Mittel für die Modernisierung der Verteidigungssysteme und die Erhöhung der Energieunabhängigkeit bereitzustellen, könnten ebenfalls einen Beitrag zur Vermeidung einer Rezession leisten. „Dies ist ihr Hamilton-Moment – in dem die Mitgliedstaaten zusammenhalten müssen, um ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Eine Lösung für Energieunabhängigkeit und Verteidigung kostet nicht nur Milliarden, sondern Hunderte von Milliarden. Je höher ihre Ambitionen, desto wahrscheinlicher, dass sich eine Rezession abwenden lässt.“

    Unsere Portfolios sind nun gegenüber Risikoanlagen, wie beispielsweise Aktien, neutral positioniert; mit einer Tendenz weg von Vermögenswerten mit hoher Zinssensitivität, einschliesslich Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating und US-Staatsanleihen. Übergewichtet werden nun stattdessen Rohstoffe, liquide Mittel und ausgewählte chinesische Vermögenswerte – darunter auf Renminbi lautende Staatsanleihen; diese bieten attraktive relative Renditen und diversifizieren das Portfolio.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG oder einer Geschäftseinheit der Gruppe (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig wäre, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende Abgabe rechtswidrig wäre.

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