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Die Schweiz, nachhaltige Energie und die Herausforderungen des Netto-Null-Ziels
Am Weltklimagipfel COP26 haben sich Staats- und Regierungschefs aus aller Welt auf eine dringend nötige Ergänzung des Übereinkommens von Paris in Form des Glasgower Klimapakts geeinigt. Im Rahmen dieses Pakts verpflichteten sich mittlerweile über 140 Länder auf ein Netto-Null-Ziel. Der Pakt umfasst auch Verpflichtungen zur Begrenzung der Kohlenutzung, zur Bereitstellung von Klimafinanzierungen für Entwicklungsländer und zur Überprüfung der Emissionspläne im Jahr 2022, um eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C zu ermöglichen.
„Obwohl ich nur an einem Tag an der Klimakonferenz teilnehmen konnte, wird mich dieses Erlebnis nachhaltig prägen“, erklärte Daniela Stoffel, Staatssekretärin für internationale Finanzfragen im eidgenössischen Finanzdepartement, mit der wir in Glasgow sprachen. „Was ich am meisten schätzte, waren die Gespräche auf den Gängen und das erneute Zusammenkommen der Gemeinschaft. Das allein war schon ein Ziel.“
Die Schweiz zählt zu den Ländern, die sich bereits vor dem Klimagipfel auf ein Netto-Null-Ziel verpflichtet hatten. Anfang 2021 veröffentlichte sie ihren Fahrplan zu Netto-Null. Das Dokument „Langfristige Klimastrategie der Schweiz“ formuliert zehn strategische Grundsätze. Dazu zählen unter anderem der effiziente Einsatz aller Energieträger unter Berücksichtigung ihrer optimalen Anwendungsmöglichkeiten und die Offenheit für alle Arten neuer und bestehender Technologien. In mancher Hinsicht ist die Schweiz anderen Ländern auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel voraus. Dennoch bestehen nach wie vor bedeutende Herausforderungen.
Langsame fortschritte
Die CO2-Bepreisung ist eine tragende Säule der Netto-Null-Strategie der Schweiz, die schon jetzt eine der höchsten CO2-Abgaben weltweit1 hat. Es gibt aber immer noch bedeutende Ausnahmen. Dazu zählen zum Beispiel Verkehrstreibstoffe wie Diesel und Benzin, die im Gegensatz zu Heizbrennstoffen in der Regel nicht von der Lenkungsabgabe betroffen sind. Das Schweizer Stimmvolk hat im Laufe dieses Jahres ein Gesetz abgelehnt, das einige dieser Lücken bei der CO2-Bepreisung geschlossen hätte.
Stoffel zeigt sich optimistisch im Hinblick auf die Zukunft der CO2-Bepreisung in der Schweiz: „Die Schweiz hat sich verpflichtet, bis 2050 Netto-Null-CO2-Emissionen zu erreichen. Wir tun unser Bestes, um den Wandel zu finanzieren. Wir arbeiten hart an unserem CO2-Preis. Als direkte Demokratie müssen wir die Zustimmung der Bürger zu Gesetzesänderungen einholen. Dennoch sind wir sehr zuversichtlich, dass wir die Instrumente weiterentwickeln können, die wir brauchen, um unser Netto-Null-Ziel zu erreichen.“
Aus historischer Sicht hat die Schweiz auch dank ihrer geografischen Lage einen Vorsprung im Netto-Null-Fahrplan, ist Stoffel überzeugt: „Die Schweiz ist ein kleines Binnenland. Wir haben keine Naturressourcen. Daher waren wir von Anfang an gezwungen, unsere Umwelt zu schonen und uns innovative Lösungen einfallen zu lassen.“ Dank dieses aus der Not geborenen Ideenreichtums wird der Schweizer Energiesektor ohnehin von CO2-freiem Strom aus Wasserkraft und Kernenergie dominiert.
Nachdem das Schweizer Volk im Jahr 2017 einerseits dem schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie zustimmte, aber andererseits nicht genug in erneuerbare Energien investierte, erhöhten sich die Netto-Null-Hürden in den letzten Jahren erheblich; diese Hürden hätte die Schweiz ansonsten vielleicht gut überwinden können.
Für die Ausserbetriebnahme der Atomkraftwerke hat die Schweiz noch keinen festen Zeitplan festgelegt. Dies könnte dem Land etwas Zeit verschaffen, um Fortschritte bei der Verpflichtung zu erneuerbaren Energien zu erzielen. Die Reaktion auf diese Herausforderung besteht laut der Schweizer Umweltministerin Simonetta Sommaruga in zwei Gesetzentwürfen, die die Förderung erneuerbarer Energien bis mindestens 2030 sicherstellen könnten; sofern sie verabschiedet werden.
Die Rolle des Privatkapitals
Bei Lombard Odier verstehen wir, dass ein fundamentaler wirtschaftlicher Wandel erforderlich ist, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen – und dass Anleger eine entscheidende Rolle dabei spielen, dies zu erleichtern. Darum entwickelten wir bereits Instrumente, die es uns ermöglichen, mit einem rigorosen Netto-Null-Fokus zu investieren. Zudem helfen wir unseren Kunden, die Chancen des Wandels zu nutzen und die damit verbundenen Risiken zu verringern. Wir werden diese Instrumente stetig weiter verbessern.
Damit dieser Wandel gelingt, muss sich der gesamte Finanzsektor mit ganzer Kraft dafür einsetzen. Es gibt jedoch noch keinen Branchenstandard für die Messung der gegenwärtigen und künftigen Emissionen eines Unternehmens – und damit auch nicht für seine Auswirkungen auf das Klima. In dieser Hinsicht setzte der Klimagipfel ein hoffnungsvolles Zeichen, als die International Financial Reporting Standards Foundation (IFRSF) die Bildung eines neuen internationalen Ausschusses für Nachhaltigkeitsstandards ankündigte: das International Sustainability Standards Board (ISSB). Dieses soll die Berichterstattung und Governance von Nachhaltigkeitsaspekten in 37 Ländern standardisieren. „Wir haben sehr grosse Hoffnungen, dass das ISSB einen weltweit anerkannten Standard für die Emissionsberichterstattung schaffen kann“, so Stoffel. „Dies ist eine der wichtigsten Ankündigungen von COP26. Damit könnten wir die notwendige Transparenz und Standards schaffen, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen.“
Der Gipfel „Building Bridges“, der im November/Dezember in Genf abgehalten wird, birgt ebenfalls die Chance, Fortschritte zur Lösung der Netto-Null-Herausforderungen der Schweiz zu erreichen. Ein wichtiges Ziel dieser Veranstaltung ist die Bildung sektorübergreifender Partnerschaften. Diese können dazu beitragen, eine Lösung für die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage zu finden – und dringend benötigtes Kapital in nachhaltigere Energielösungen zu leiten.
Solche Initiativen wirken der Skepsis der Anleger in Bezug auf Nachhaltigkeit entgegen. Diese Skepsis ist trotz des wachsenden Verständnisses für die Notwendigkeit des Wandels noch immer verbreitet: Bei einer kürzlich durchgeführten Umfrage des Brokers HYCM gaben zum Beispiel über die Hälfte der befragten britischen Anleger an, dass nachhaltiges Investieren aktuell keine Priorität für sie sei. Solche Ansichten beruhen zum grossen Teil auf berechtigten Bedenken wegen Grünwäscherei2. Daher sind vergleichbare Messgrössen, wie sie das ISSB entwickeln will, eine entscheidende Voraussetzung, damit Anleger ihre wesentliche Rolle für den Wandel wahrnehmen können.
„Menschen, die Nachhaltigkeit nicht für ein wichtiges Thema halten, würde ich sagen, dass es nicht darum geht, auf Grün zu setzen, weil die Zeichen gerade auf Grün stehen“, so Stoffel. „Nachhaltigkeit ist die entscheidende Voraussetzung, um die beste Zukunft für diesen Planeten zu schaffen. Daher müssen wir nicht mehr über nachhaltige Finanzierung diskutieren. Es geht um Finanzierung, und es geht um Nachhaltigkeit. Um noch etwas länger auf diesem Planeten leben zu können, müssen wir die Art und Weise, wie wir Geschäfte machen und wie wir sie finanzieren, neu erfinden.“
1 Hintermann, B. und Zarkovic, M. (2020) „Carbon Pricing in Switzerland: A Fusion of Taxes, Command-and-Control, and Permit Markets“, ifo DICE Report, ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München, Vol. 18, Nr. 1, S. 35–41. https://www.ifo.de/DocDL/ifo-dice-2020-1-Hintermann-Zarkovic-Carbon-Pricing-in-Switzerland-A-Fusion-of-Taxes,Command-and-Control,and-Permit-Markets-spring.pdf
2 Willems, M. (2021) 'Exclusive: Most investors could not care less about ESG and sustainability', City A.M. https://www.cityam.com/exclusive-cop26-impact-close-to-zero-as-most-city-investors-could-not-care-less-about-esg-and-sustainability/
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