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Wie innovative Unternehmen das Gesundheitswesen der Zukunft gestalten
Jérôme Berton, Healthcare Portfolio Manager, Pharmacist, MBA, CEFA
Noch nie haben im Gesundheitswesen so viele Kräfte zusammengespannt wie in den letzten Monaten im Kampf gegen Covid-19. Nicht nur um Impfstoffe, sondern auch um Tests und Medikamente zu entwickeln, um vom Virus betroffene Menschen besser behandeln zu können. Jede dieser Herausforderungen ist und bleibt enorm – sei es in der Forschung, in der Produktion oder in der Logistik. Dies hat sich jüngst auch bei der Impfstoffbeschaffung und der Impfplanung gezeigt. Indessen stehen die Gesundheitssysteme vieler Länder zahlreichen anderen grossen strukturellen Herausforderungen gegenüber. Jérôme Berton, Healthcare-Portfoliomanager und Pharmazeut, analysiert die aktuellen Herausforderungen und Chancen, nachdem Covid-19 mehrere grundlegende Trends im Gesundheitswesen verstärkt hat.
Unsere Gesundheitsmodelle sind nicht mehr tragbar
Langfristig ist unser derzeitiges Gesundheitssystem nicht mehr tragfähig, sagt Jérôme Berton. Denn es sei kurzfristig ausgerichtet, fragmentiert und inflationär. Unser Modell steht demnach vor drei grossen Strukturproblemen. Das erste ist die demografische Entwicklung, verbunden mit einer alternden Bevölkerung und einem zunehmend bewegungsarmen Lebensstil. „Das zweite grosse Problem ist wirtschaftlicher Natur, sind doch die Gesundheitsausgaben seit den 1970er-Jahren explodiert und wesentlich rasanter gestiegen als das Wirtschaftswachstum. Innerhalb der OECD geben einige Länder zwischen 15% und 20% ihres BIP für die Gesundheit aus. Dieser Anteil hat sich innerhalb von 50 Jahren verdreifacht“, so Jérôme Berton weiter. Angesichts des für diese Länder in den kommenden Jahren erwarteten Wirtschaftswachstums und ihrer Schuldenlast ist diese Belastung eindeutig nicht tragbar. „Schliesslich gibt es auch politische, gesellschaftliche, ja sogar geopolitische Probleme, die sich durch die Covid-Krise verschärft haben. Hierzu gehören der Zugang zur Gesundheitsversorgung, zu medizinischer Behandlung, die Gesundheitssouveränität und die internationale Verflechtung der Lieferketten. Das bedeutet, dass wir uns auf eine neue Situation einstellen müssen.“
Wie die Gesundheitsbranche von morgen aussieht
Für Jérôme Berton hat Covid-19 zwar keine neuen Trends im Gesundheitswesen hervorgebracht, einige aber durchaus sichtbar gemacht und entsprechend beschleunigt. So zeigt das Beispiel der Diagnostik deutlich, dass wir nicht auf Gesundheitsprobleme dieser Grössenordnung vorbereitet waren. Die öffentlichen Behörden haben die Bedeutung des Problems erkannt und initiieren Investitionsprogramme – nicht nur um die aktuelle Krise besser zu bewältigen, sondern auch um zukünftige Krisen zu antizipieren.
Der zweite grundlegende Trend ist die Digitalisierung, bei der grosse Anstrengungen unternommen und entsprechende Fortschritte erzielt wurden. Dies gilt zum einen für die Telemedizin, zum anderen für die Prävention, wie zum Beispiel das Remote Health Coaching. „Insgesamt sind die Rückmeldungen aus der Praxis sehr positiv, sowohl von Patienten als auch von Ärzten und Kostenträgern, da die Kosten deutlich niedriger sind“, fügt Jérôme Berton an.
Telemedizin geht weit über den virtuellen Arztbesuch hinaus. Sie bietet Behandlungsmöglichkeiten bei chronischen Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck, aber auch in Bereichen wie der Augenheilkunde oder Psychiatrie. „Wir haben beispielsweise eine Firma ausfindig gemacht, die ein medizinisches Gerät herstellt, das Patienten – ähnlich wie ein Pflaster – am Körper tragen können und das den Blutzuckerspiegel in Echtzeit an das Smartphone überträgt, ohne sich dabei in den Finger zu stechen. Das ist absolut revolutionär. So kann man den Gesundheitszustand des Patienten überwachen und erhält personalisierte Daten, die Patienten dann an ihren Arzt senden können, der daraufhin nötigenfalls ihre Behandlung entsprechend anpasst.“ Ein ähnliches Beispiel ist das von einem Unternehmen entwickelte medizinische Gerät, das ebenfalls am Körper getragen wird und mögliche Herzprobleme erkennen kann.
Diese Fortschritte zeigen, dass Telemedizin weit über die Interaktion zwischen Arzt und Patient über einen Bildschirm hinausgeht und noch grosses Potenzial birgt. Die Digitalisierung wird dieses noch weiter ausschöpfen und in Zukunft selbst in der Entwicklung von Medikamenten eine zentrale Rolle spielen. Denn die Labore werden in der Lage sein, den Verlauf ihrer klinischen Studien in Echtzeit zu verfolgen, was die Prozesse und die Produktivität verbessert.
Neue Technologien und neuer Investitionsansatz
Gerade die aktuelle Krise hat uns ermöglicht, bestimmte neue technologische Plattformen zu validieren, wie beispielsweise die Messenger-RNAs. Dabei handelt es sich um einen absolut neuartigen Ansatz, der darin besteht, den menschlichen Körper in eine „Medikamentenproduktionsfabrik“ zu verwandeln. Damit können Pathologien behandelt werden, die mit traditionelleren Technologien nicht zu therapieren sind. Denken wir beispielsweise an bestimmte Krebsarten, aber auch an Autoimmun- oder virale Erkrankungen, die in den kommenden Jahren auf diese Weise behandelt werden könnten.
„Ein weiterer Trend, der weniger bekannt ist, von dem wir aber glauben, dass er einen regelrechten Aufschwung erleben wird, ist die synthetische Biologie. Wir verfolgen zum Beispiel ein Unternehmen, das in der Lage ist, synthetische DNA in grossem Massstab kostengünstig herzustellen. Dies könnte vielfältige Anwendungen haben, nicht nur im Bereich Gesundheit und neue Medikamente, sondern auch in der Landwirtschaft, der Chemie und der Entwicklung neuer Materialien oder im Bereich der Computertechnik und Datenspeicherung.“
Für Investoren ist es entscheidend zu bedenken, dass die Bewertungen in verschiedenen Segmenten der Pharmaindustrie und des Gesundheitswesens im Allgemeinen weiterhin attraktiv sind. Doch der Markt verändert sich grundlegend weiter. Strukturell sind die Zeiten der Megafusionen zwischen Pharmaunternehmen vorbei. Eher setzen Grossunternehmen heute auf innovative, von kleineren Unternehmen entwickelte Lösungen, sei es durch Beteiligungen oder Übernahmen. Dies bedeutet, dass bei der Wahl von Titeln grosse Vorsicht geboten ist.
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